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Meldungen und Hintergrundinformationen

Statement zum besonderen elektronischen Anwaltspostfach - beA von Dr. Rolf Fiedler, Chief Technical Officer

Warum freiwillig auf Rückwärtskompatibilität und eine große installierte Basis verzichten?

Seit vielen Jahren werden weltweit Dokumente per Fax ausgetauscht. Mit der zunehmenden Verbreitung des Internets wurde das Fax in eine altmodische Ecke gestellt und viele Branchenlösungen für den Dokumentenaustausch entwickelt (z.B. Elektronischer Rechtsverkehr im Notariat, Bundeseinheitliches Anwaltspostfach, Labordatenträgerschnittstelle LDT 3.0, eArztbrief, ePost-Brief, …). Diese haben meistens eine gemeinsame Schwachstelle: Sie nutzen eine Client-Server-Architektur mit einem zentralen Server. Der Server muss immer verfügbar sein, sonst kann niemand kommunizieren. Auch Empfangsbestätigungen kommen häufig nicht direkt vom Empfänger, sondern das Dokument wird einmal zentral zwischengespeichert. Wenn der Server ein Sicherheitsproblem hat, ist sämtliche Kommunikation davon betroffen. Jede dieser Lösungen hat Inselcharakter und kann nicht mit den Lösungen in anderen Branchen kommunizieren. Sieht so Zukunft aus?

Fax hingegen ist ein Peer-to-Peer Dienst. Ein Fax wird direkt an das Empfangsgerät adressiert und die beiden Endpunkte kommunizieren direkt. Der Dienst adressiert über Telefonnummern und ist weltweit verfügbar.

Natürlich hat Fax, so wie es jeder kennt, auch Nachteile, wie z.B. die langsame Übertragung, dass die Zuverlässigkeit etwas unter der Nutzung von Analogmodems leidet und die Dokumentenauflösung meist nur 200dpi hat. Allerdings sind diese Nachteile in der technischen Standardisierung seit Jahren adressiert und behoben. Es ist nur die installierte Basis, die sich nur langsam aktualisiert – und das nicht vorhandene Wissen um die Möglichkeiten.

Mit dem ITU-Standard T.38 wird auf die Modemnutzung verzichtet, wenn beide Endpunkte per IP-Protokoll angebunden sind. Dies erhöht sowohl die Zuverlässigkeit als auch die Übertragungsgeschwindigkeit. So können z.B. zwischen IAF-Geräten (internet aware fax devices) über 100 Faxseiten pro Minute ausgetauscht werden.

Mit dem ITU-Standard T.434 (04/1999) kann man direkt PDF-Dateien im Ursprungsformat per Fax transportieren. Dies funktioniert sowohl per klassischer Telefonie als auch per T.38 (IP) und erlaubt die Nutzung von Text-Extraktion und die Ansteuerung von automatischer Verarbeitung beim Empfänger. Dokumente können z.B. direkt in Patientenakten sortiert oder als ZUGFeRD-Rechnungen von der FiBu-Software automatisch gebucht werden (falls ein Absender noch klassische gerastete Dokumente versendet, muss eine optische Zeichenerkennung (OCR) vorgeschaltet werden). Der Dateitransfer kann auf PDF/A Dokumente eingeschränkt werden. Dies bietet sowohl Sicherheit (keine aktiven Inhalte und die damit verbundenen Probleme wie z.B. bei E-Mail mit Viren, Trojanern und Phishing) als auch die Gewissheit, das Dokument nach vielen Jahren noch darstellen zu können (Archivierung).

Fax kann sich auch beim Übertragungsweg komplett vom Telefonnetz lösen. In T.30 (09/2005) ist ein Verfahren spezifiziert, wie ein angerufenes Faxgerät einen URL (uniform resource locator) angeben kann. Das sendende Gerät legt dann einfach auf und überträgt das Dokument direkt per IP an die angegebene Adresse. Das Telefonnetz dient dann nur noch als Adress- und Benutzerdatenbank.

Auch kryptografische Sicherheit ist in Fax schon eingebaut: T.38 (11/2015) definiert neben dem häufig genutzten Transportprotokoll UDPTL auch RTP und SRTP sowie TCP und TLS. SRTP und TLS sind verschlüsselt. TLS würde genutzt, wenn im Telefonanruf eine URL signalisiert wurde. Danach kann die IP-Adresse der Gegenstelle per Zertifikat gegen das DNS geprüft werden und dann eine Ende-zu-Ende Verschlüsselung initiiert werden. Die Verschlüsselung per SRTP sichert die RTP Strecke, wird aber bei Übergang ins klassische Telefonnetz entfernt.

Natürlich dauert es einige Zeit, bis neue Protokollvarianten weite Verbreitung erlangen. Jedoch ist auch Fax letztendlich nur ein Software-Protokoll-Stack. Und um aus einem Computer ein Fax in eine VoIP-Umgebung zu schicken, wird nur eine Software benötigt. „Faxgeräte“ können neben Computern damit auch mobile Geräte und Multifunktionsdrucker sein. Dazu kommen noch alle klassischen Faxgeräte, die bereits vorhanden sind. Es gibt also eine große installierte Basis. Warum sollte man diese aufgeben?

Die zitierten ITU-Standards sind von Gremien entwickelt worden, die sowohl Telekommunikationsanbieter als auch Hersteller umfassen. Damit existiert dort ein hoher technischer Sachverstand und Wissen um aktuelle und historische Netze, Dienste und Geräte. Das Beste daran: All diese Faxverbesserungen arbeiten komplett rückwärtskompatibel! Wenn ein sendendes oder empfangendes Gerät ein Verfahren nicht unterstützt, wird immer die in der Kombination dieser beiden Geräte beste Übertragungsart ausgewählt. Und zwar nicht „bundeseinheitlich“, sondern durch internationale Standards global einheitlich und branchenübergreifend.

Natürlich haben die Branchenlösungen - zumindest für den Dienstleister - einen gewissen Charme. Aber wenn der Arzt dann nicht mehr mit dem Anwalt verlässlich und ohne zentralen „Lauschpunkt“ kommunizieren kann, stellt sich die Frage, ob dabei nicht das Gemeinwohl auf der Strecke bleibt.

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